EINE UNFASSBARE LIEBE: TÜRKAN ŞORAY

Türkan Soray
Türkan Şoray
Selvi Boylum Al Yazmalım - Meine Liebste im roten Kopftuch
Dönüş

Türkan Şoray zu beschreiben ist ein hoffnungsloses Unterfangen. Vergleiche mit anderen Kinolegenden und Stars gibt es praktisch nicht. Ihre Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden, beruht vor allem auf einer bedingungslosen Liebe an die Kinokunst. Eine Leidenschaft, für deren Vollendung sie sich aber nie interessierte. Generationen von Kinoverliebten konnten sich gerade deswegen mit dieser rastlosen Suche nach einer unerreichbaren Liebe identifizieren. Deswegen ist sie auch zeitlos und das liegt wohl nicht zuletzt auch an der Magie des Kinos und der Unsterblichkeit der Stars.

Diese Erklärungsversuche reichen natürlich nicht aus, eine lebende Legende wie Türkan Şoray greifbar zu machen. Wir müssen uns schon anstrengen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, worin ihre Einmaligkeit liegt. Die Quellen ihres künstlerischen Talents und ihrer Anziehungskraft zu entschlüsseln, könnten dabei helfen, uns dem Phänomen Türkan Şoray anzunähern.

Hoffnungsloses Unterfangen, dennoch ein Versuch: Zum Beispiel wäre es keineswegs übertrieben zu sagen, dass niemand sich ihrem unverwechselbaren Blick entziehen kann. Ein Blick, aus dem ihre Seele spricht und im Handumdrehen jeden ergreift, fasziniert, träumen lässt, um ihn am Ende mit einem Gefühl der Unnahbarkeit zurück zu lassen. Ein Blick, der urrein, schutzlos, passiv und voller Neugierde sein kann, zugleich aber auch unheilbringende Verführungen heraufbeschwört, nicht ohne mehrdeutiges körperliches Begehren. Kurzum, ein einladendes schelmisches Augenzwinkern, bei dem wir aber wissen, dass unsere Träume zum Scheitern verurteilt sind.

Die unfassbaren Grenzen unserer Faszination für Türkan Şoray sind im Grunde genommen sehr konkret abgesteckt. Die Erfüllung unseres Traums ist nur ein Steinwurf entfernt von unserem Kinosessel, von dem aus wir sie auf der Leinwand bewundern. Je größer das Gefühl der Unerreichbarkeit für uns, desto warmherziger und ehrlicher bohrt sie sich in unsere Herzen mit ihrem Blick. So gesehen kann man von einer unerfüllten, seltsamen Liebe sprechen zwischen uns und ihr. Eine geheime Leidenschaft zwischen ihr und jedem von uns.

Was ist Türkan Şoray für uns? Eine abenteuerhungrige Geliebte? Eine liebevolle Mutter? Eine leidenschaftliche Verführerin? Ein Schwesterherz? Oder das unwiderstehliche Objekt der Begierde? Wahrscheinlich alles und nichts, weswegen sie uns so nah und doch so fern ist. Ein Trugbild, eine Projektionsfläche für unsere Träume und Alpträume, Sehnsüchte, Hoffnungen und Katastrophen, die nur einen Augenschlag voneinander entfernt liegen. Diesem Gefühlschaos verdanken wir letztendlich auch die Faszination für einen großartigen Menschen, dem wir seit über einem halben Jahrhundert verfallen sind.

Das künstlerische Schaffen der unumstrittenen „Sultanin des türkischen Kinos“ umfasst über 200 Filme. Ihre Karriere begann sie mit dem Film Köyde Bir Kız Sevdim (Ich liebte ein Mädchen im Dorf) und wurde mit Otobüs Yolcuları (Busreisende) erstmals einem Massenpublikum bekannt. Mit Werken wie Acı Hayat (Bitteres Leben), Ne Şeker Şey (Wie süß sie ist), Siyah Gözler (Schwarze Augen), Sürtük (Das Flittchen), Tapılacak Kadın (Eine Frau zum Vergöttern), Dünyanın En Güzel Kadını (Die schönste Frau der Welt) und nicht zuletzt mit dem Film Vesikalı Yarim (Meine berüchtigte Geliebte) wurde sie zum absoluten Star und spielte unvergessliche Rollen in Klassikern des türkischen Kinos wie in Kölen Olayım (Lass mich dein Sklave sein), Seninle Ölmek İstiyorum (Ich will mit dir sterben), Cemo, Çile (Leid), Dönüş (Die Rückkehr), Azap (Die Qual), Mahpus (Gefangen), Selvi Boylum Al Yazmalım (Das Mädchen mit dem roten Kopftuch), Hazal, Mine und Gramofon Avrat (Das Grammophon-Weib).

Türkan Şorays Werk gleicht einem beispiellosen Kinoabenteuer, an dem wir seit gefühlten Ewigkeiten teilnehmen. Für uns ist es vor allem ein Abenteuer, in dem wir unseren eigenen, ganz persönlichen Lieben begegnen, sei es vollends erfüllte, herzblutend auf der Strecke gebliebene oder nur voller Unschuld herbeigesehnte. Und das verdanken wir einer Frau, die wir seit über einem halben Jahrhundert auf der Leinwand bewundern...

Burçak Evren

Filmkritiker