Es war einmal in ... Turkey Cinemascope

Als Regisseur ist Nuri Bilge Ceylan den BesucherInnen des Filmfestivals Türkei / Deutschland sicher ein Begriff, fast alle seine Filme wurden hier präsentiert. Ein breiteres Kino-Publikum kennt ihn durch seine in Cannes ausgezeichneten Filme Uzak, Drei Affen und Es war einmal in Anatolien. Weniger bekannt ist Nuri Bilge Ceylan als Fotograf, den wir mit dieser Ausstellung erstmals in Deutschland präsentieren. Dabei begann seine bildnerische Karriere mit der Fotografie. Auch wenn alle Aufnahmen ein extremes Breitbildformat aufweisen - fast doppelt so breit wie das gewohnte Kleinbildformat - sind sie kein „Neben- oder Abfallprodukt“ des Filmemachers Ceylan, die am Rande von Dreharbeiten entstanden.

Bei den ausgestellten Arbeiten wird sofort ersichtlich, dass Nuri Bilge Ceylan das Cinemascope-Format ganz bewusst bildnerisch einsetzt und seine Vorteile ausspielt. Die üblicherweise mit Panoramakameras aufgenommenen, menschenleeren Landschaften sind bei ihm nur selten zu sehen. Der Mensch in der Landschaft, die ihn prägt, die seinen Lebensraum bildet, ist ein zentrales Thema.
Bilder nicht der industriellen, der „modernen“ Türkei, sondern vielfach aus der Provinz. Sie versuchen einer „Übergangsgesellschaft“ ihre Wurzeln zu vermitteln, sie erzählen von einer im Verschwinden begriffenen Welt und haben so oft eine melancholische Anmutung. Nicht die pulsierende Metropole Istanbul mit ihren Hochhäusern wird gezeigt, sondern die alten Viertel, oft erinnernd an Ara Gülers bekannte Istanbul Bilder. Die Zeit erhält bei Ceylan einen anderen Rhythmus, langsam, gleichsam entschleunigt, dem Subjekt, dem fotografierten Objekt seine Bedeutung (wieder-) gebend. Es ist sicher kein Zufall, dass eine Vielzahl der Aufnahmen im schneereichen Winter entstand. Der Winter als bildprägende Jahreszeit, der den Landschaften ihre überbordende Pracht und Farbigkeit entzieht und umso mehr ihre Grundformen betont, als eine „leblose“ Jahreszeit, in der der Mensch  mit seiner Umgebung weniger verbunden, ihr gleichsam entrückt erscheint. Nicht nur bei den Winter-aufnahmen fällt auf, dass Ceylan in seiner Farbigkeit sehr zurückhaltend ist, Pastelltöne überwiegen, das leuchtende Blau des Mittelmeerraumes findet sich in seinen Landschaftsdarstellungen kaum.

Eine gewisse Distanz erzeugt auch durch die meist erhöhte Aufnahmeposition.
Von oben kann die Szenerie überblickt werden und Fotograf und Betrachter sind nicht selbst Teil der Geschichten, sondern erzählen von ihnen. Es sind durchkomponierte Bilder, jede dieser Panoramafotografien scheint eine Geschichte anzudeuten. Es passiert sehr viel, allerdings nicht direkt im Vordergrund, sondern oft an den Rändern oder im Hintergrund. Die Geschichten werden nicht vom Anfang bis zum Ende erzählt, es bleibt bei bildnerischen Andeutungen und für den Betrachter ergibt sich eine Vielzahl von Vermutungen, die den besonderen Reiz dieser Arbeiten ausmachen. Man ist versucht, die vermeintlich dazugehörende Geschichte zu erfinden. Unterstützt wird diese nicht vorhandene Eindeutigkeit auch durch die abgebildeten Personen. Die Menschen schauen oft direkt in die Kamera. Die Blicke scheinen dabei irritierend brüchig zu sein, es ist kein Posen für und vor der Kamera, manchmal hat man eher den Eindruck eines abwehrenden Blickes oder des Versuches nicht zu viel Preis zu geben. Oft sind es verschlossene Gesichter, etwas melancholisch, sie scheinen nicht zu sprechen oder zu agieren. Ceylan demaskiert dabei nicht oder desavouiert die Abgebildeten, ganz im Gegenteil, er verleiht ihnen in seinen Bildern eine Würde, die ihnen wahrscheinlich im realen Leben nicht zuteil wird.

Matthias Strobel
Direktor KunstKulturQuartier



Eine Fotoausstellung im Rahmen des 18. Filmfestivals Türkei / Deutschland
Eröffnung: Mittwoch, 06. März 2013, 20.00 Uhr
Kunsthaus im KunstKulturQuartier / Königstr. 93, 90402 Nürnberg

Zeitraum der Ausstellung: 07. März bis 05. Mai 2013
Öffnungszeiten sind Dienstag, Donnerstag bis Sonntag 10.00 Uhr
Mittwoch 10.00 Uhr - 20.00 Uhr


Weitere Informationen und Führungen unter > KunstKulturQuartier

Retrospektive Nuri Bilge Ceylan > hier